Sati Zech Galerie artoxin, Angelika Donhärl

Sati Zech

1958 in Karlsruhe geboren

Zu Sati Zechs Ausstellung Verschobene Fragmente 2023 – ein Textausschnitt von Michael Wüst :

… Das trifft in besonderer Weise auch auf die Arbeiten der Künstlerin Sati Zech zu. Wer in die Innenwelt ihrer Bilder eindringen will, dem geht es eine Weile wie dem Panther von Rilke.

Das Trommelfeuer eines Codes roter Punkte insistiert geradezu auf der Message: kein Zugang – denn dies ist die Schrift. Die Welt dahinter, geschichtlich, gesellschaftlich, anekdotisch ist versenkt in einem Schweigen der Entropie. Die ungeheure vitale Energie, die man dabei spürt, lässt den Betrachter aber nicht los; er umkreist innerhalb des Käfigs der Galerie die Exponate und vermag bestenfalls mit einem Wohlgefallen zu entkommen, das ihm dann lau im Magen liegt.  

Um einen Ausdruck aus der Musik zu Hilfe zu nehmen: Sati Zechs Malerei auf Leinwand wirkt wie ein Ostinato. Der stetig rote, serielle „Ton“ in Halbkreisen – mal gestreckter, mal gestauchter – klopft obstinat auf und in den weißem Grund unter Beibehaltung einer horizontalen Schriftlinie. Unter dem taktenden Rot verwandelt sich der Hintergrund zum Untergrund. Einem Untergrund, in dessen stofflicher Tiefe möglicherweise ein verborgener Klang sei, der sich mit der rhythmischen Beschwörung, unter der rhythmischen Ertastung enthüllen möge. Mag sein in einer Art der Litanei, die die gefährliche Energie des Heiligen besänftigen soll: Man hat das Gefühl, die Künstlerin fordert eine Revelation, eine Offenbarung. Aber dabei bedeckt sie das Verborgene auch. Die Dialektik darin ist: Die Enthüllung braucht ihr Maß an Verhüllung. Sie etabliert ein Verborgenes und gleichzeitig schützt sie es. Das ist das klassische „Zwei-Schritt-vor-einer zurück“ der Rekapitulation, der Wiederaufnahme der Serie a posteriori, zurück in die Nähe des Beginns, nur eine Masche zurück. Maschinen und Werke repräsentieren selbiges mechanisch mit Rückholfedern oder Schneckengetrieben, es findet sich im Stricken, Häkeln und Knüpfen und gewinnt sich zu guter Letzt im resultierenden Ornament. Das Stottern oder das Humpeln, von dem die Künstlerin selbst spricht, entspricht ihrer behutsamen Provokation der Evokation.    

Sie verbirgt auf eine fordernde Weise. Die Reihen der roten Monade sind oft eng gesetzt, sie geben sich wie ein Code. Oder besser: Sie sollen sich selbst als solcher erkennen! Ist hier also kein Text chiffriert, sondern ein fakultatives Pattern angelegt, aus dem die Fähigkeit, selbst zu chiffrieren emergieren soll?

Auf Papier begegnen wir dazu einer Reihe von Kommentaren, rot und schwarz, die wie die herausgerissenen Tagebuchseiten einer archäologischen Unternehmung anmuten. Selbst Fundstücke? Schnell skizziert immerhin, wann auch immer. Korrekturen in den Mitteilungsschichten, wenn wir bei einer Archäologie der Zeichen bleiben dürfen, werden mit der Schere herausgeschnitten, nicht übermalt. Das Papier mit seiner flachen Materie wird nicht perkussiv traktiert. Schwarze Seiten erinnern an Grundrisse, möglicherweise Gräber, Samenkapseln. Auf roten Seiten kann man Belagerungsmaschinen mit Netzen sehen, Brücken ohne Ufer, Zeugen einer umkämpften Zivilisation.

Die aus Leder genähten Körper, innen aufgebaut mit Holz, textilen Materialien und Gips, brandschwarz und trotzdem wie durch tausendfache Berührung glatt und glänzend getätschelt wie Reliquien, haben als Aufbewahrungsbehälter für Nahrung, als Urnen oder pralle Schläuche für Fett, Fleisch oder Blut, in ihrer realen Gegenwärtigkeit den Charakter von gleichwohl äußerst schweigsamen, sinistren Kultgegenständen. Im Umfeld der „archäologischen“ Malereien im Feld von Systemen, Zeichen und Chiffren, künden sie nicht vom Prozess ihrer Entdeckung. Sie sind präsent irreal. Ihre sakrale Aura würde jeden Houngan oder jede Mambo – männliche oder weibliche Priester im Haitianischen Voudou – anspringen. Auf einem Altar zwischen Cinzanoflaschen, Yamwurzeln und Hühnerkrallen. In den schwarzafrikanischen, synkretistischen Religionen Haitis, Kubas und Brasiliens ist das Heilige noch eng verbunden mit dem Gefährlichen, der Übersteigerung, der Ekstase oder dem Paroxysmus, wie es bei Roger Caillois, „Der Mensch und das Heilige“ heißt. Allerdings kann man Sati Zech gerade nicht vorwerfen, dass sie ihren Wert mit schamanischem Brimborium aufwertet, wie das der Mann mit der Honigpumpe und den Fettstühlen so trefflich und so wirksam verstand.      

Die Konstituantien von Sati Zechs Kunst dürfen mit einiger Berechtigung als Methode des künstlerischen Fraktals bezeichnet werden.

Die Wiedereinsetzung des Archaischen, eine tief in der Protohistorie ansetzende Rekapitulation des Zeitfortschritts in menschlicher Früh-Kultur, könnte als Prinzip solchen Fraktals gesehen werden. Die frei werdende dunkle Energie ihrer Arbeiten ist in jedem Falle unbestreitbar. …

Michael Wüst 2023


Biography

Sati Zech wurde 1958 in Karlsruhe geboren.

Sie studierte Bildhauerei bei Professor Lothar Fischer an der Hochschule der Künste in Berlin.

Zech stellt ihre Arbeiten national und international in Galerien, auf Messen und in Museen aus. 

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